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Freitag, 29. November 2024 Mediadaten
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Steinheim (mhn). Mit dem Familienroman „Das hungrige Krokodil“ hat Buchautorin Sandra Brökel die berührende Geschichte des Pavel Vodak niedergeschrieben. Zeilen über Identität, Mut zum Widerstand und Hoffnung auf ein Leben in Freiheit. Genauso berührend wie das Erlebte des Pavel Vodak ist die glückliche Fügung, die überhaupt zur Entstehung dieses Buches geführt hat.

In der Artikelreihe „Auf einen Kaffee mit…“ habe ich mit Sandra Brökel über die berührenden Erlebnisse gesprochen, deren Ergebnis „Das hungrige Krokodil“ ist. Bereits die Geschichte der Entstehung des Romans hat Potential für eine eigene Geschichte, doch fangen wir von vorne an. 

Im Mittelpunkt steht zunächst eine braune, alte Arzttasche mit in braunem Leder gehüllten Griffen und goldenen Metallösen, die die Griffe mit dem Korpus der Tasche verbinden. Im Inneren sind Aufzeichnungen, die das Leben des Pavel Vodak zwischen 1939 und 1970 wiedergeben – inklusive seiner Flucht aus Prag im Jahr 1968 als Panzer rollen und seine Träume zunichte gemacht werden. Seiner Tochter zuliebe entscheidet sich Pavel für die Flucht…..doch damit beginnen die Probleme….

Ein Blick zurück in das Jahr 2008

„2008 räumte ich mein eigenes Leben auf“, fängt Sandra Brökel an zu erzählen. „Ich habe Fachliteratur über Adoptivkinder gesucht. Dann bin ich auf Dr. Pavel Vodak – einen tschechischen Kinder-Psychiater, Neurologen und Kinderarzt – gestoßen. Er hat viele Fachbücher in diesem Bereich veröffentlicht. Allerdings gab es keine Übersetzungen in die deutsche oder die englische Sprache. Somit habe ich die Suche damals abgehakt.“

Jahre später sind Sandra Brökel und ihre beste Freundin Paula Kruse in Berlin. Was anfangs „nur“ ein Besuch in einem tschechischen Restaurant zu sein scheint, ist der Anfang einer langen und unglaublichen Geschichte, denn Paula Kruse ist die Tochter von Dr. Pavel Vodak. „Wenn ich ihn wirklich kennenlernen wollen würde, hätte ich die Chance. Er habe sein ganzes Leben aufgeschrieben. Seit 12 Jahren würde in Paulas Keller eine alte Arzttasche liegen. Da stehe sein ganzes Leben drin, Gedanken und was ihn ausmache“, zitiert Sandra Brökel ihre Freundin Paula Kruse. Diese glückliche Fügung habe zum Besitz der markanten, brauen Arzttasche geführt.

Leben am Limit

„Dann habe ich mich durch seine Unterlagen gekämpft und sein Leben aus seiner Perspektive in Form gebracht. Nur für Paula, weil sie meine beste Freundin war. Das Material war schwer lesbar, denn Pavel Vodak war kein Schreiberling“, verrät die Buchautorin aus Steinheim. „Wir sind auf Ahnenforschung gegangen und ihren Schulweg abgegangen, haben die Wohnung in Prag gesucht und auch die Stadt kennengelernt.“

Insgesamt zehn Wochen verweilte Sandra Brökel immer wieder in Prag, um zu schreiben und mehr über Dr. Pavel Vodak zu erfahren. „Meine Familie ist froh, dass das Buch fertig ist. Die zehn Wochen fand mich meine Familie sehr anstrengend. In der Zeit des Schreibens war ich geistig einfach unzugänglich“, bietet die Steinheimerin Einblicke in ihr Leben. 

Ihre Selbstständigkeit erlaubte es ihr, Termine so zu legen, dass ihre Arbeit und das Schreiben nebeneinander zu realisieren waren. „Ich habe rund um die Uhr geschuftet“, erläutert Sandra Brökel, die sich selbst durch einen eingeklemmten Ischias-Nerv und einem damit verbundenen nächtlichen Krankenhausbesuch in Prag nicht aufhalten ließ, ihr Ziel zu erreichen.

Die Besonderheit an Pavel Vodak

Wenn sie gefragt würde, warum Menschen ihr Buch lesen sollten, möchte ich von der Autorin wissen. „Weil es eine wahre Geschichte ist, diese aber in der Vergangenheit spielt: sie ist aktueller denn je. Zum Beispiel die Pressefreiheit in der Türkei: Was die 1968 geschrieben haben, ist heute noch genauso aktuell wie damals. Die haben für etwas gekämpft: Für Freiheit, für Meinungsfreiheit und diese sehe ich noch nicht in allen Ländern Europas gegeben“, führt Sandra Brökel aus. „Dann spielt die Flucht eine große Rolle. Aus der Tschechoslowakei über Jugoslawien, Italien, Österreich bis nach Warburg. Das Buch gewährt einen Einblick in die Seele eines Flüchtlings. Nach außen sieht alles so toll aus, aber innerlich geht die Entwurzelung nicht spurlos vorbei. Und von daher ist es aktueller, als man meint. Und ich weiß, dass viele Menschen ein großes Interesse an wahren Geschichten haben, die gleichzeitig die europäische Geschichte beinhalten.“

Bin ich im Jahr 1968 oder 2017?

Von einer Veränderung des eigenen Seins hat die Steinheimerin gesprochen. Ich möchte wissen, inwiefern das Schreiben des Romans und das Leben des Pavel Vodak sie beeinflusst haben. „Ich bin eingetaucht in ein komplett anderes Leben. Ich kam mir orientierungslos vor. Bin ich 1968 unterwegs oder 2017, wo Kinder was zu essen haben wollen und zum Training wollen“, definiert die Steinheimerin das Erlebte. „In dieser Zeit habe ich sehr viel nachgedacht, über zentrale Themen, wie Mut, Freiheit und Verzeihen: Pavel hatte im zweiten Weltkrieg eine tiefe Abneigung gegenüber Deutschland entwickelt und als er fliehen musste, nahm ausgerechnet Deutschland ihn auf. So schließen sich manchmal Kreise. Dies hat mich sehr fasziniert und verändert.“

Die Botschaft des „Pavel Vodak“

Was sich Sandra Brökel wünschen würde, was die Menschen, die ihr Buch lesen, mitnehmen und mitunter in das eigene Leben projizieren sollte, interessiert mich. „Dieses Buch hat eine Botschaft eines Menschen, der nie aufgegeben hat und immer gradlinig geblieben ist. Ich wünsche mir, dass wir erkennen, die Geschichte wiederholt sich gerade. Einige östliche Länder schließen ihre Grenzen - wie zum Beispiel Ungarn - und haben Angst, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Polen legen in Sachen Demokratie und Gewaltenteilung einen Rückwärtsgang ein. Pavel hatte immer diese Lebensüberzeugung ‚Jetzt erst recht, wir schaffen das‘. Dabei ist er immer menschlich geblieben. Daher denke ich, dass dies jeden etwas angeht.“

Fragt man die Autorin nach der Eigenschaft der Hauptfigur, die sie am meisten beeindruckt hat, berichtet sie: „Dass er sich nicht unterkriegen lassen hat und nie verbittert war, sondern immer den Menschen gesehen hat.“

Seit Mitte Februar ist der Familienroman von Sandra Brökel im Handel erhältlich. Kurz nach der endgültigen Fertigstellung des Manuskriptes verstarb Paula Kruse im Oktober 2017. Wer nun Interesse an „Das hungrige Krokodil“ hat, dem sei ein Erwerb ans Herz gelegt. Es ist in jeder Buchhandlung verfügbar.

Auch auf der Leipziger Buchmesse war Sandra Brökel vertreten. Vier Lesungen hielt die Steinheimerin im Rahmen der zweitgrößten Buchmesse Deutschlands. Mit fast 200.000 Besuchern rangiert die Leipziger Buchmesse hinter der Frankfurter Buchmesse. „Das hungrige Krokodil“ sei in Leipzig recht erfolgreich gewesen, führt Sandra Brökel weiter aus. Wer nun gerne eine Lesung der Autorin besuchen möchte, dem sind drei Termine zu nennen.

  • 19. April um 19 Uhr HPZ Warburg
  • 14. Juni um 19:30 Uhr Stadthalle Brakel
  • 22. Juni um 19:30 Uhr Pfarrheim Steinheim (bereits fast ausverkauft)

 

Fotos: Jörn George, Pendragon, Sandra Brökel

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